Walter Jangel
Bello
Vom 19.06.1970 bis 17.09.1970 war ich auf MS MULDE gemustert. Als die DSR-Vorschriften bezüglich "Tiere an Bord" noch locker waren, befanden sich häufig Tiere, besonders Hunde an Bord. Erst durch den Mißbrauch im Umgang und durch die Vorschriften einzelner Länder wie Großbritannien, kam es zu drastigen Einschränkungen. Hunde leisteten gute Wachdienste. Oft lag der Bordhund angekettet am einzigen Zugang zum Mannschaftsbereich, besonders bei separaten achteren Mannschaftsunterkünften. Da kam kein Fremder rein!
Auf einer Reise zuvor wurde durch jemanden in Alex (Alexandria) ein Welpe eingetauscht. Er bekam den Standardnamen Bello. Da auf einem Schiff zu diesem Zeitpunkt Unterhaltung Mangelware war, trug er doch etwas zur Auflockerung bei.
Für Bello war das Beste gerade mal gut genug. Mochte jemand zu Mittag sein Steak nicht, bekam es kein Nachbarsmann, nein, Bello durfte sich daran ergötzen. Einen ganz scheelen Blick konnte man sich von ihm einfangen, wenn man ihn mit einer Scheibe Rotwurst verwöhnen wollte. Und so kam es, wie es kommen mußte. Bello wurde ein ansehnliches Tier. Ihm machte es sichtlich Spaß, mit jemanden Hasche ums Lukensüll oder auf der Luke zu spielen. Das Schiff hatte er sich eingeteilt. Auf dem Vorschiff war sein Sanitärbereich. Dorthin war morgens sein erster Gang. Achtern im Bereich Luke 4 und 5 und vor der Kombüse war sein Aufenthaltsraum. Man traf da ja die meisten Leute und jeder war für ein kurzes Spielchen zu haben.
Für ihn wurde auch hygienisch gesorgt. Bello hatte seinen eigenen Bademantel aus der Putzlappenkiste und zu Reisebeginn wurde für ihn eine Packung Shampoo gekauft. Sonnabend war Badetag. Sah er jemanden mit seinem Bademantel, war er auf der Flucht bis rauf zur Monkey-Back. Aber es half nichts, nicht einmal das Bepissen vor Angst. Hatte er seine Dusche bekommen, wurde er in seinen Bademantel gewickelt und in den Tagesraum gepackt. Nachdem er sich trocken fühlte, kroch er raus und sein Törn ging weiter.
Besonders stark fühlte er sich, wenn er durch die Klüse seine Kollegen an der Pier anbellen konnte.
Irgendwann lernte er auf dieser Reise auch Landgang. Der III.Ing. und der Koch nahmen ihn mit zu den Kombüseneinkäufen in Tekirdag (Türkei). Die 8-m-Leine war immer stramm voraus gespannt. Im Hafen lag Bello fortan am Gangwaypodest und hoffte auf Landgang. Bei so einem Landgang lernte er, daß es auch noch andere Menschen außer Seeleute gibt. In seiner anerzogenen Verspieltheit im Umgang mit ihnen, wollte er auch mit einem kleinen Kind spielen und war arg über den Fußtritt des Vaters beleidigt. An dem Tag lag er nicht mehr am Gangwaypodest. Schnell bekam er mit, daß man ja auch allein an Land gehen kann. Tja und da war eines Tages der Landgang in der Antwerpener Schleuse ausgebracht. Bello ging unbemerkt an Land und das Schiff legt ab. Das war nachmittags. Nachts kam er völlig durchnäßt, fix und fertig an Bord. Da hatte er es doch fertiggebracht, in dem riesigen Hafengelände sein Schiff zu suchen und zu finden!
Das Einlaufen in Wismar war ähnlich dem Duschen. Sah er jemanden mit einem ihm vertrauten Sack, war er wieder verschwunden. Er kam bei Einlaufen in den Sack und wurde in der Fuulbrasstonne deponiert bis die Einklarierung vorbei war. So lange hielt er wirklich still. Umgedrehte Prozedur beim Auslaufen. Nur, sobald die Schraube die ersten Umdrehungen machte, meldete er sich.
Nach dieser Reise ging es in die Werft nach Szczecin. Kaum am Liegeplatz ging Bello an Land. Dort lernte er etwas kennen, was er in den verpflasterten Häfen nicht kennenlernen konnte, hohes Gras! Man glaubt es nicht. Über eine halbe Stunde hat er sich darin ausgetobt. Freude pur.
In der Werft stieg ich ab, traf später einen aus der Besatzung und erkundigte mich nach Bello. Er starb seinen Seemannstod in der Werftzeit. Er wollte wie üblich auf der Luke spielen. Diese war aber nicht abgedeckt.
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