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Gerd Wachs

Das "Kielschwein" und der Herr aus Österreich

Auf einer Rundreise des Fracht- und Passagierschiffes F.FREILIGRATH war u.a. auch ein älterer Herr aus Österreich an Bord, der klein und schmächtig von Statur war und ansonsten ein Österreicher, wie man sich ihn im Allgemeinen so vorstellt.

Diesem Herrn wurde zugetragen, daß sich ein Kielschwein an Bord befände. Neugierig wie er nun einmal war, löcherte er die Besatzung täglich damit, daß er das Kielschwein sehen möchte. Da gab es für uns “Eingeweihte” ein Problem zu lösen, denn Passagiere sind nun einmal die Könige und ihre Wünsche müssen erfüllt werden.

Also "ein Schwein muß her" auch wenn das Schiff auf hoher See ist. Nun begannen die Vorbereitungen. Dank kreativer Mitarbeit von seiten mehrerer Besatzungsmitglieder ging das Werk voran. Als “Schweinestall” wurde das Ende des Wellentunnels hinter dem letzten Wellenlager und unter der Stevenrohrstopfbuchse auserkoren. Ein Holzgatter wurde gezimmert und schon war der Stall so gut wie fertig.

Nun fehlte nur noch das Schwein. Der Bootsmann hatte dafür die richtige Figur "klein und stämmig" also überzeugte man ihn als Schwein zu fungieren.

Der "Herr" wurde nun auf seinen Auftritt als Schweinebesichtiger vorbereitet. Er bekam einen grauen Kittel angezogen, der ihm allerdings reichlich groß war, denn er gehörte einem 2½  Zentnermann, dem Obersteward. Da er auf dem Weg zum Schwein auch einen Maschinenraum passieren mußte, bekam er vorschriftsmäßig einen Arbeitsschutz-Helm aufgesetzt.

Ihm wurde nun die große Ehre zu teil, daß Schwein füttern zu dürfen. Dazu erhielt er einen mit Abfällen gefüllten Wassereimer. So ausgestattet ging die Prozedur dann endlich los. Steile Niedergänge, große Wärme und der dem Maschinenraum arteigene Geruch nach Brennstoffen, waren die ersten zu überwindenden Hürden auf dem Weg zum Schwein.

Wo dann auch noch die Alarmsirene mit einem ohrenbetäubenden Krach losging als der “Herr” mitten auf dem Niedergang war (natürlich von gehässiger Hand gestartet), war die Katastrophe nahe. Späterhin wurde mir berichtet, daß der “feine Herr” nicht mehr ganz so fein roch, da er sich vor Schreck in die Hose gemacht hatte. Da ich diesen Fakt nicht persönlich überprüft habe – keine Wahrheitsgarantie.

Nun endlich war der Weg zum Schwein frei. Im Wellentunnel war es sehr dunkel, weil böse Buben natürlich die Lichtstärke drastisch reduziert hatten.

In der Zwischenzeit hatte sich das “Kielschwein” über den Notausstieg an seinen Arbeitsplatz begeben und gab dort sehr gekonnt schweinehafte Grunzlaute von sich. Da ein Lichtstrahl seinen nackten Rücken traf, sah alles so richtig schweinchen-rosa aus und der "Herr" schüttete zufrieden das mitgebrachte Futter dem Schwein zum Fraße hin, was dieses erregt grunzend entgegennahm. Die Freude war für alle Beteiligten groß. Der Passagier hatte glaubhaft das Schwein gesehen (I hob's g'sehn ...). Die Eingeweihten hatten einen Höllenspaß, nur das "Schwein" roch übel und hatte zu tun um den Gestank wieder zu beseitigen.

Als alle dachten, daß die Geschichte nunmehr beendet war, hatte man sich geirrt. Der “feine alte Herr” erzählte nämlich sein Erlebnis dem für diese Reise angeheuerten Schiffsarzt, der noch älter als der “feine alte Herr” war und so glaubwürdig, daß dieser zum Kapitän ging und diesen daraufhin zur Rede stellte, daß doch lebende Tiere an Bord von DSR-Schiffen nicht erlaubt waren.

Der in den Spaß nicht eingeweihte Kapitän hielt erst einmal Rücksprache und versuchte dann den Doktor den Spaß zu erklären. Dieser jedoch schenkte den Worten des Kapitäns keinen Glauben. Eine Einladung zur Ortsbesichtigung lehnte er mit der Begründung ab, daß er sowieso betrogen wird. Er meinte, wenn er in den Wellentunnel geht, hat man das Schwein zwischenzeitlich in das Kabelgatt gebracht und umgekehrt.

Erwiesenermaßen waren der Kapitän und der Doktor bis zum Reiseende noch immer keine guten Freunde. Ob Doktor und Passagier jemals die Wahrheit erfahren bzw. geglaubt haben ist nicht erwiesen, denn beide Herren stiegen nach der Reise ab und wurden nicht wieder gesehen.


DSR-Seeleute,  Montag, 8. November 2004